Wo ich herkomme und ob in meinem Land über die Proteste in Hongkong berichtet wird, möchte die Dame von mir wissen. Ich habe sie auf dem Weg zum Konferenz-Zentrum an einer Wasserstation getroffen. Sie hat einen großen Einkaufskorb dabei und verschenkt Zeitungen. Als ich ihr erzähle, dass auch die deutschen Medien über die aktuelle politische Situation zwischen Hongkong und Festland-China berichten, ist sie sichtlich beruhigt.
Auf der RISE Konferenz selber, wegen der ich hauptsächlich nach Hongkong gereist bin, geht es wie erwartet weniger um Politik. Die Tech & Startup Szene dreht sich lieber um sich selbst. Hier gilt Hongkong als das Tor nach China und beliebter Business Standort, 15 Minuten von den chinesischen Produktionsstätten in Shenzhen entfernt. Gerade von Internet of Things Experten bekomme ich mehrfach die Empfehlung, unbedingt einmal vorbeizuschauen. China kopiere nicht mehr einfach nur andere Produkte, sondern habe sich mittlerweile umfangreich eigene Expertise in diesem Bereich aufgebaut.
Ich spiele mit dem Gedanken, einen Konferenztag ausfallen zu lassen und einen kleinen spontanen Abstecher zu machen. Dank gesondertem Shenzhen-Visa für Aufenthalte bis zu 5 Tage, wäre dies ohne bürokratische Hürden möglich. Allerdings bin ich ja eigentlich aus einem ganz anderen Grund nach Hongkong gekommen: ich suche Investoren und Kooperationspartner für ein neues Projekt. Also treibe ich mich bevorzugt in der Business Lounge herum. Meine Taktik, erst einmal Kontakt zu weiblichen Investment Professionals zu suchen, geht leider nicht auf. Generell ist der Frauen-Anteil auf der gesamten Konferenz eher gering. Wenigstens gibt es keine Hostessen in niedlichen Kostümchen, wie ich es anderswo schon erlebt habe.
Anders sieht das nur in der Women in Tech-Lounge aus. „Es gibt eine extra Ecke für uns. Das zeigt doch, dass die Veranstalter erkannt haben, dass es wichtig ist uns zu fördern.“, zeigt eine meiner neuen Bekanntschaften aus Latein-Amerika mir eine neue Perspektive auf. Gemeinsam überarbeiten wir mein Pitch Deck und feilen an meiner Kommunikations-Strategie. Während deutsche bzw. europäische Investoren meist einen klaren Investment-Fokus haben, treffe ich auf dem Event reihenweise Ansprechpartner, die sich alles anschauen, was irgendwie mit Technologie zu tun hat. Das ist zum einen von Vorteil, weil Weiterbildung als Geschäftsmodell dann nicht gleich rausfällt und als Charity-Projekt abgestempelt wird, macht es aber auch extrem schwierig in kurzen Gesprächen einen gemeinsamen Anknüpfungspunkt zu finden. In der Women in Tech Lounge ist das tatsächlich leichter. Ich lerne viele interessante Unternehmerinnen kennen und erstaunlich viele Deutsche, die in der Region arbeiten.
Mein Pausen besteht daraus, mir das Bühnenprogramm und die verschiedenen Stände näher anzuschauen. Auf den ersten Blick dreht sich auf der Konferenz viel um FinTechs. Ein Startup wirbt damit „das N26 für Asien“ zu sein. Ansonsten spielen Wearables und Gesundheitsthemen eine große Rolle. Zwischendrin entdecke ich einen deutschen Gründer, der mit seinem Münchner Unternehmen Teamsportarten digitalisiert (Fun with Balls). Spannend waren auch die Berichte über die Entwicklungen und Startup-Initiativen in China. Hier ist es gar nicht so einfach, wirklich detaillierte Informationen zu bekommen. Unter anderem der Einfluss der Politik wird nicht thematisiert.
Grundsätzlich ist aber kein Geschäftsmodell dabei, was man nicht auch auf europäischen oder amerikanischen Tech-Konferenzen finden würde. Die Szene ist global aufgestellt. Für mich war die Reise trotzdem erfolgreich. Ich habe extrem viele gute Tipps und neue Kontakte gesammelt. Und nebenbei auch tatsächlich etwas von Hongkong gesehen. Zufällig war unter der Woche Saison-Abschluss auf der örtlichen Pferderennbahn. Eine imposante Location, mitten zwischen den Wolkenkratzern. Hier konnte ich für einen Moment aus meiner Bubble fliehen und meine Eindrücke sortieren.
Autorin dieses Beitrags: Carolin Desirée Töpfer, Gründerin & CEO/ CTO Cyttraction