Wer mir auf LinkedIn folgt, hat es bereits mitbekommen. Anfang Juli war ich für knapp zwei Wochen in Asien unterwegs. Hauptsächlich wegen der RISE Konferenz Hongkong, der größten Startup & Tech Konferenz in der Region. Auf dem Hin- und Rückweg habe ich kurz Zwischenstopp in Singapur gemacht. Beide Städte haben den Ruf, uns in Sachen Digitaler Transformation weit voraus zu sein. Aber ist das so und spürt man Unterschiede und Vorteile schon, wenn man nur ein paar Tage vor Ort ist?
Experience
Die erste Station, nach meinem 12 Stunden Flug von Berlin nach Singapur, war logischerweise der recht moderne Flughafen des Stadtstaates. Eigentlich wollte ich mir nach meiner Ankunft am frühesten Morgen ein gemütliches Plätzchen zum schlafen suchen, war aber viel zu wach. So hatte ich Zeit, das angrenzende Einkaufszentrum zu besuchen. Und was soll ich sagen? Ein Glasdach mit eingebautem Wasserfall, der mittig durch das Gebäude und den künstlich gestalteten Dschungel mit echten Bäumen stürzt, während nebenan der Flughafenzug durchschwebt, ist schon ganz imposant.
Mir kam unwillkürlich die Frage in den Sinn, wie viele Behördengänge und Baugenehmigungen wohl notwendig gewesen wären, um so etwas in Deutschland zu bauen.
Nebenan gibt es dann noch ein Experience Studio, in dem Besucher mit Unterstützung digitaler Medien mehr über den Flughafen erfahren können. Als ich vor Ort bin, hat es leider noch geschlossen.

In Sachen visuelle Experience fühlte sich dann auch der Rest der Stadt ein bisschen an, wie das in einem vorherigen Blogbeitrag beschriebene Instagram-Museum. Auch mit Hilfe von Verbots-Schildern und drastischen Strafen, wird Ordnung und Sauberkeit im öffentlichen Raum aufrecht erhalten. Die Parks haben eher etwas von Kunstwerken als freien Erholungszonen. Man nimmt sich automatisch ein wenig zurück. Entschädigt wird man mit tollen Erlebnissen, wie der Lichtshow der Artificial Trees im Garden by the Bay, oder dem atemberaubenden Ausblick vom Skypark des Marina Bay Sands Hotels aus.

Internet
Neben zwei Shows am Tag und einem Food Court mit den unterschiedlichen Gerichten der angrenzenden Regionen, begeistert die Marina Promenade mit kostenfreiem Internet. Eigentlich findet man in fast jedem Café, Restaurant oder auch an öffentlichen Plätzen ein kostenfreies WLAN. Die Sicherheits-Standards sind dabei ganz unterschiedlich. Hotspot-Setups mit einem Login über ein per SMS zugesendetes Einmal-Passwort sind recht häufig. Auch das Thema Datenschutz ist präsent. Zum arbeiten reicht die Geschwindigkeit nicht immer aus und auch mit Instagram-Stories habe ich den ein oder anderen Hotspot schon einmal überlastet. Um Mails zu checken oder den weiteren Tag zu planen, ist das kostenfreie Internet aber super.
Payment
Positiv überrascht hat mich auch, dass ich fast kein Bargeld brauchte. Nur das futuristische Kapselhotel, in dem ich zu Beginn meiner Reise untergekommen bin, wollte keine Kreditkarten annehmen. Viele der traditionellen Foodcourts bieten ebenfalls ausschließlich Barzahlung an. Sobald man jedoch in einer der vielen klimatisierten Malls essen geht, lässt sich das Problem umgehen. In der U-Bahn dient sogar die Kreditkarte selber als Ticket. Das ist unheimlich praktisch und spart Zeit und Rohstoffe. In vielen anderen Ländern bleibt einem ja nichts anderes übrig, als die jeweilige Metro-Wertkarte zu kaufen und sie dann nachher zu sammeln oder zu entsorgen.

Unternehmen
Je weiter man sich von der schicken modernen Marina entfernt, desto mehr fühlt man sich wie ein Wanderer zwischen zwei Welten. Während sich Banken, Asset Manager, Startups und internationale Konzerne in den zentralen Wolkenkratzern tummeln, werden etwas weiter außerhalb Waren und Dienstleistungen aller Art angeboten. Zwischendrin finden sich immer wieder die bereits beschriebenen Foodcourts. Wahrscheinlich das optimale Umfeld, um ein kleines Unternehmen aufzubauen. Die Dame, bei der ich die besten Samosas gegessen habe, betreibt ihren Mini-Imbiss zusammen mit ihrer Mutter – aber eben im Verbund mit etwa 30 anderen Schnellrestaurants. Eine spezialisierte Offline-Plattform sozusagen.
In Vierteln wie Little China und Little India kann man so ungefähr alles kaufen, was einem so einfällt. Von traditionellen Lebensmitteln und spirituellen Talismanen, über Baumaterial bis hin zu Motorrad-Ersatzteilen. Auch eine Crossfit-Box finde ich mitten in einer Ladenzeile. Digital ist hier aber wenig. Es ist ein bisschen wie bei uns, wenn man stationäre Einzelhändler und große Ketten mit eigenem Onlineshop vergleicht. Allerdings lässt sich auf der Straße und in der U-Bahn eine wesentlich stärkere Smartphone-Nutzung quer durch alle Altersgruppen beobachten. Dass ich den Großteil meiner Reise fleißig für Instagram mitschneide, stört niemanden.
Mobility
Und auch die Verkehrsorganisation selber ist digital. Als ich nachts am Flughafen ankomme, kann ich online oder über einen digitalen Kiosk ein Shuttle zum Hotel buchen. Aus Service-Gründen steht auch ein Mitarbeiter hinter dem entsprechenden Schalter. Aber eigentlich eher, um den Ankommenden aus aller Welt mit dem Kiosk zu helfen – quasi als Digital-Erklärer.
Bei meiner Recherche stelle ich fest, dass genau hier auch der Fokus der Regierung liegt. Vor allem im Finanzbereich und im öffentlichen Raum sollen technische Innovationen stattfinden. Die Herausforderung ganz unterschiedliche Bevölkerungsgruppen mitzunehmen, ist trotz hoher Digital-Affinität in der Bevölkerung auch in Singapur spürbar.
Interessanter Chip-Artikel über Singapurs Digitalstrategie
Tipps für Singapur
- Eins der vielen Kapsel-Hotels ausprobieren, zumindest mal für eine Nacht. Nach 12 Stunden Flug und mit Jetlag kann es sehr von Vorteil sein, wenn LED-Lichter Tag & Nacht bestimmen und nicht die Sonne.
- Gleich bei der Hotelbuchung auch schon nach interessanten Ausstellungen und Kultur-Events schauen und frühzeitig online Tickets buchen. Da war ich leider zu spät dran.
- Eigentlich rät jeder Reiseführer davon ab, aber: wer läuft sieht mehr von der Stadt. Und bei 65% Luftfeuchtigkeit gibt’s den Trainingseffekt gratis dazu.
- Die Augen aufhalten, um prachtvolle Hindu-Tempel und Moscheen nicht zu übersehen.
- So viel essen wie möglich. Besondere Empfehlung: Lau Pa Sat Food Court, nahe U-Bahn Haltestelle Downtown – Bargeld nicht vergessen!
- Für Tee-Liebhaber: Im Marina Bay Sands Einkaufszentrum im untersten Geschoss auf eine original britische Tea Time vorbeischauen.
- Um 19.30 oder 20.30 ein gemütliches Plätzchen unter einem der künstlichen Super Trees im Garden by the Bay suchen [in der Grove, die Trees am Rande des Parks sind wohl nicht aktiv] und auf die Lichtshow warten.
- Party machen! Zum Beispiel im Viertel hinter der Jinrikisha Station… [Wer die 80er und/ oder Computerspiele mag: Mein Abend im Nineteen 80 war toll!]
- …oder am Clarke Quay in der Innenstadt, direkt am Singapore River. Bei alkoholischen Getränken ruhig zweimal den Wechselkurs nachrechnen.
- Von der Terrasse im 57. Stock des Marina Bay Sands Hotels nach unten gucken – bei Höhenangst vielleicht lieber ganz vorsichtig.
- Mehr Zeit am Flughafen einplanen, ein bisschen den Wasserfall bewundern und im Dachgarten des Jewel-Einkaufszentrums entspannen.
Autorin dieses Beitrags: Carolin Desirée Töpfer, Gründerin & CEO/ CTO Cyttraction